Citizen Science – Mitmachen und mitdenken

Ob Citizen Science, Bürgerwissenschaft, Mitmachwissenschaft oder Crowd Science: Die Begriffe beschreiben eine Erscheinung in der Wissenschaft, die zurzeit eine zunehmende Aufmerksamkeit erfährt. Ganz nach dem Motto „Mitmachen und mitdenken“ arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Menschen außerhalb der Universitäten, Fachhochschulen und anderen Forschungseinrichtungen zusammen. Ihr gemeinsames Anliegen ist es, Antworten auf Fragen mit gesellschaftlicher Relevanz zu finden. Die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit sind vielfältig und mitmachen kann jeder, wie das Citizen Science Projekt „Die Stunde der Wintervögel“ beispielsweise zeigt.

Die Stunde der Wintervögel

„Die Stunde der Wintervögel“ ist ein Citizen Science Projekt, das federführend vom NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) organisiert wird. Nach eigenen Angaben handelt es sich dabei um „Deutschlands größter wissenschaftlicher Mitmachaktion“. Allein im Winter 2016 hätten bundesweit mehr als 93.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen Ergebnisse aus über 63.000 Gärten übermittelt. Dies teilt der NABU in einer Pressemeldung dazu mit. Auf Grundlage der über das Internet übermittelten Beobachtungen können die Vogelkundler und Naturschützer ableiten, wie sich das Vorkommen der gezählten Vogelarten in den Beobachtungsgebieten entwickelt. Bei Bedarf können sie dann frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um die Bestände besser zu schützen.

Während hier das gemeinschaftliche Zählen von Vögeln noch relativ neu ist, hat es in den USA bereits eine über hundertjährige Tradition. Organisatorin des so genannten „Christmas Bird Count“ ist die Umweltschutzorganisation National Audubon Society. Doch Citizen Science ist nicht auf das Zählen und Beobachten von Vögeln beschränkt. Die Formen der Beteiligung und die Vielfalt der Projekte sind enorm.

Bürger schaffen Wissen

Eine Auflistung einer Vielzahl von Projekten kann man auf der Webseite des Gewiss-Konsortiums („BürGEr schaffen WISSen“) finden. An diesem Konsortium sind unter anderen Einrichtungen der Helmholtz- sowie der Leibniz-Gemeinschaft beteiligt. Ziel des Zusammenschlusses ist es, die Mitmachwissenschaft in Deutschland zu fördern und interessierte Gruppen zu vernetzen. Mit Erfolg, wie es aussieht. Heute werden auf der Webseite bereits über 60 Citizen Science Projekte vorgestellt (Stand 02/2016). Dabei geht es zum Beispiel um die Vermeidung von Lebensmittelabfällen, oder um die Beobachtung von Wildschweinen, die im Berliner Stadtgebiet heimisch geworden sind oder um das Auswerten von Landschaftsbildern durch viele Menschen, um globale Landschaftsdatensätze zu verbessern.

Ebenfalls um Landschaftsdatensätze geht es auf der Webseite des GeoWiki-Projekts, das 2009 vom Wiener International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) ins Leben gerufen wurde. Bei einem der Mitmachaktionen, der „FotoQuest Austria“, sind Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, sich eine App auf ihr Smartphone zu laden, um damit bestimmte Landschaftsaufnahmen zu machen. Auf dieser Datengrundlage kommen die Wiener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu neuen Erkenntnissen über Landabdeckung und Bodennutzung in Österreich.

Weitere interessante Projekte finden sich auf der englischsprachigen Zooniverse-Webseite. Sie ist nach eigenen Angaben die weltweit bekannteste Citizen Science Plattform und listet derzeit 44 Mitmachprojekte auf (Stand 02/2016).

Herausforderungen und Kritik an Citizen Science

Der Nutzen von Citizen Science wird mittlerweile von vielen Seiten anerkannt. Sie biete „eine bisher nie dagewesene Möglichkeit, die Gesellschaft für wissenschaftliche Themen zu sensibilisieren.“ Darin scheinen sich Befürworter und Kritiker bislang einig zu sein.

Doch gibt es auch kritische Punkte und Herausforderungen, denen sich die Bürgerwissenschaft stellen muss. Einige davon haben die Wissenschaftlerinnen Cathy Conrad und Krista Hilchey*) bereits im Jahr 2011 in einer Publikation zusammengefasst. Sie kommen zu dem – nicht sehr überraschenden – Ergebnis, dass das Sammeln der Daten und der Umgang damit im Wesentlichen über den Erfolg und die Glaubwürdigkeit und den Nutzen von Citizen Science entscheidet.

David Resnik**) mit seinen Kollegen argumentiert in eine ähnliche Richtung und empfiehlt beispielweise, sich schon zu Beginn eines Citizen Science Projekts auch darüber Gedanken zu machen, welche ethischen Aspekte berücksichtigt werden müssen. Dazu gehört unter anderem auch die Frage, wem die Rechte an den gemeinschaftlich erhobenen Daten und den Ergebnissen letztendlich zustehen.

Mein Fazit

Trotz der Kritik: Citizen Science ist ein spannender sich nicht zuletzt auch wegen der Möglichkeiten des Internets entwickelnder Forschungsansatz, um Antworten auf Fragestellungen mit gesellschaftlicher Relevanz gemeinschaftlich auf mehrere Schultern verteilt zu suchen. Ein Ansatz, den man auch zukünftig weiter denken sollte. Wer gute Ideen für ein Citizen Science Projekt hat, kann ihn gerne in das Kommentarformular schreiben. Vielleicht wird ja mehr daraus. Die Chancen dafür sind zurzeit günstig.

Literatur

*) Conrad, C. C., Hilchey, K. G. (2011). A review of citizen science and community-based environmental monitoring: issues and opportunities. Environmental Monitoring and Assessment 176: 273-291

**) Resnik, D. B., Elliot, K. C. Miller, A. K. (2015). A framework for addressing ethical issues in citizen science. Environmental Science & Policy

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