In unserer Familie haben wir uns zu Weihnachten wieder eine Aufgabe gestellt. Jeder von soll eine Weihnachtsgeschichte schreiben. Lediglich die maximale Wortzahl und der erste Satz sind dabei vorgegeben. Ich habe im letzten Jahr über den Weihnachtself Marius geschrieben. In diesem Jahr darf ich hier im Blog eine andere Geschichte veröffentlichen. Sie ist von meinem Schwiegervater. Hier kommt, was er uns über Mias Familie erzählt hat.
In der Ferne läuten die Kirchenglocken, als sich die letzten Leute zur Kirche aufmachen. Auch Mias Familie gehört zu diesen Leuten. Mutter, Vater und die Geschwister hatten noch so viel zu tun. Da ist die Zeit wieder mal viel zu schnell vergangen. Stress und Hektik haben die Kontrolle übernommen und das eine oder andere böse Wort ist gefallen. „Schade!“, denkt Mia. Wartend und unter Zeitdruck steht die Familie jetzt am Fähranleger des kleinen Flusses. Es ist leider nicht weihnachtlich kalt und aus den dunklen Wolken, die am Himmel ziehen, ist kein Schnee gefallen.
Das kleine Fährboot liegt festgemacht am gegenüberliegenden Ufer. „Was ist los? Wieso rührt sich dort drüben niemand? Kein Licht. Kein Geräusch. Seltsam. Wir kommen wohl zu spät zur Kirche. Unser Fährmann ist doch sonst immer so zuverlässig. Da stimmt was nicht. Ist ihm etwas passiert? Bitte nicht! Es ist doch Heiligabend“, kommt es Mia in den Sinn.
Ein unerwarteter Stopp
Und tatsächlich: Der Fährmann wurde ausgerechnet heute Abend zu seiner Mutter gerufen. Ihr geht es nicht gut. Und da keines seiner Geschwister in der Nähe wohnt und schnell erreichbar gewesen wäre, ist er losgeeilt, um nach ihr zu sehen.
Aber das weiß Mias Familie nicht. Alle rufen ungeduldig: „Fährmann hol über, Fährmann hol über.“ Doch niemand erhört die Rufe. Es scheint, als trenne der kleine Fluss die Familie heute Abend von den anderen Menschen der Dorfgemeinschaft, die jetzt schon in der Kirche auf den Beginn der Messe warten. Die Familie bleibt unschlüssig am Ufer stehen. Es geht nicht weiter.
Mias besonderes Gefühl
Von ihrer Flussseite aus kann Mia die erleuchteten Fenster der Kirche sehen. Sie bemerkt auch, dass ein heller Stern über dem Gebäude strahlt. Und als in die Stille des Abends die Kirchenorgel tönt und ganz sanft das erste Weihnachtslied spielt, bekommt Mia ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend. Mia, ihre Eltern und Geschwister fassen sich nun an den Händen und stimmen das Lied leise mit an. Sanft summt es der Vater, leise singt es die Mutter. Und auch die Kinder machen mit.
Mia wird es jetzt doch etwas kälter. Sie zittert. „Schaut mal,“ sagt sie leise. „Dort liegt Schwemmholz. Lasst uns ein Weihnachtsfeuer machen.“ Alle Familienmitglieder fangen an das trockene Holz zu sammeln. Mias Vater findet auch Papier zum Anmachen und bald knistern die ersten Flammen. Das kleine Feuer wirft einen besonderen Schein auf die Gesichter der Familie.
Was sollen wir uns wünschen?
Allmählich wärmt das Feuer. Und doch rücken alle näher zusammen. Sie genießen die Flammen und die gegenseitige Wärme. Die Familie lauscht den Tönen, die aus der Kirche herübergetragen werden. Sie können den Ablauf der Messe gut verfolgen. Und irgendwie fühlen sich mit der Gemeinschaft dort drüben tief verbunden. Stress und Hektik spielen jetzt keine Rolle mehr.
Die Weihnachtslieder laden immer wieder zum Mitsingen ein. Und während das kleine Feuer leise knistert, ziehen die Wolken fort. Viele Sterne sind zu erkennen. „Was wünschen wir uns, wenn wir eine Sternschnuppe sehen?“, flüstert Mia in die Runde. „Wünsche, die mit einer Sternschnuppe gedacht werden, behält man für sich“, sagt Mias Mutter. „Nur dann gehen sie in Erfüllung.“ Alle schauen jetzt nach oben, weil jeder eine Sternschnuppe sehen will. Und mit entspanntem Himmelschauen kann jeder einen kleinen Wunsch dank einer Sternschnuppe in sein Herz einschließen.
Weihnachtswünsche gehen hin und her
Auf der anderen Flussseite ist die Messe zu Ende. Die Menschen strömen aus der Kirche und eilen nach Hause. Jedoch einigen fällt das Lagerfeuer auf. Sie erkennen die Situation und eilen zum Fluss. Rufe gehen von Ufer zu Ufer. „Morgen wird der Fährmann wieder im Einsatz sein“, hört die Familie. „Seine Mutter ist krank. Ihr geht es aber wieder besser,“ erfährt sie. Und Mia ist beruhigt, dass es allen gut geht. „Frohe Weihnachten“, ruft die Menschen. „Frohe Weihnachten“, schallt es zurück. Dann stimmt auf einmal jemand ein Weihnachtslied an und wieder singen alle mit. Von beiden Seiten des kleinen Flusses trifft sich der Schall über dem Wasser.
Mia bemerkt wieder das merkwürdige Gefühl im Bauch. Sie ahnt, dass dieser Heilige Abend etwas ganz besonders ist. Auch die Familie ist bewegt und freut sich, doch noch gemeinsam mit den anderen zu singen und Weihnachtswünsche auszutauschen.
Nachdem das Feuer gelöscht ist, tritt die Familie den Heimweg an. Alle hoffen doch auf die Erfüllung des ein oder anderen Weihnachtswunsches. Mia wünscht sich, dass es noch viele besondere Weihnachten mit ihrer Familie geben wird, so wie an diesem Heiligabend. Und außerdem wünscht sie sich, dass der Stress und die Hektik in ihrer Familie keinen Platz mehr haben. Aber das wird sie für sich behalten, sonst, so fürchtet sie, geht dieser Wunsch nicht in Erfüllung.
Soweit die Geschichte. Ich wünsche Ihnen und euch, auch im Namen der Familie, frohe Weihnachtstage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.