Ideen und Gedanken strukturieren mit dem Affinitätsdiagramm

Das Affinitätsdiagramm hilft Ideen, Gedanken, Informationen und Daten zu strukturieren. Es eignet sich gut für Workshops und Brainstormings. Aber nicht nur das. Auch außerhalb von Workshops kann man viel damit anfangen. In diesem Beitrag beschreibe ich, wie man ein Affinitätsdiagramm erstellt, welche Schritte es dabei gibt und worauf man achten kann. Am Beispiel „Nachhaltigkeitshandeln“ zeige ich, wie aus über 40 Einzelmaßnahmen sieben übergeordnete Handlungsfelder entstehen.

Was ist ein Affinitätsdiagramm? Anwendungsbereiche und Einsatzmöglichkeiten

Kurz gesagt: Das Affinitätsdiagramm ist eine Visualisierungshilfe, die sich hervorragend eignet, um unstrukturierte Sachverhalte auf einfache Art und Weise in einen größeren Zusammenhang zu bringen. Dazu werden Daten, Informationen, Aussagen, Ideen oder Schlüsselbegriffe sinnstiftend zu übergeordneten Themenfeldern gruppiert.

Ein Affinitätsdiagramm zum Thema "Umweltwoche". Erstellt in einem Workshop.
Ein Affinitätsdiagramm zum Thema „Umweltwoche/Private Gärten“. Erstellt in einem Workshop.

Oft kommen Affinitätsdiagramme in Workshops zum Einsatz, wenn die Ergebnisse eines Brainstormings oder einer Gruppendiskussion zusammengefasst werden sollen. Die Erstellung eines Affinitätsdiagramms eignet sich daher auch gut als Moderationstechnik.

Aber nicht nur in Workshops leistet das Affinitätsdiagramm gute Dienste. Der Einsatz des Affinitätsdiagramms lohnt sich immer dann, wenn es um komplexe Herausforderungen oder wicked Problems geht. In diesen Fällen sind Ideen, Meinungen, Problembeschreibungen oder Erklärungen häufig in Fülle und vielfältig vorhanden. Mit dem Affinitätsdiagramm lässt sich die Informationsvielfalt verdichten, so dass Ordnung in das Chaos kommt. Darauf kann dann in weiteren Prozessen aufgebaut werden.

Die Anwendungsbereiche für ein Affinitätsdiagramm sind vielfältig. Antworten aus Befragungen zu Kundenwünschen, Beschwerden oder Produkterfahrungen können genauso in einen Zusammenhang gebracht werden, wie Ideen aus einem Brainstorming. Deshalb hat das Tool seinen Paltz in der qualitativen Forschung oder im Design-Thinking genauso wie im Qualitätsmanagement. Dort gehört es zu den „Sieben Management-Werkzeugen (M7)“. Manchmal wird es auch als KJ-Methode bezeichnet.

In fünf Schritten zu einem Affinitätsdiagramm

Ein Affinitätsdiagramm kann man auf unterschiedliche Weise erstellen – allein oder in der Gruppe. In Workshops ist die Erstellung in der Gruppe die Regel. Folgende fünf Schritte helfen, den Prozess zu strukturieren.

Schritt 1: Vorbereitung

Das Ziel eines Affinitätsdiagramms ist es, unstrukturierten Ideen, Daten und Informationen sichtbar in einen Zusammenhang zu bringen. Um den Prozess zu unterstützen, sollten Moderationskarten, Klebezettel, Pinnwandnadeln,  Klebestreifen und Stifte in ausreichendem Maß vorhanden sein. Auch für ausreichend Pinnwandplatz oder andere Fläche sollte gesorgt sein, da die gesammelten Notizen später ggf. mehrfach hin und her geschoben oder gesteckt werden.

Schritt 2: Problemstellung konkretisieren

Die Problemstellung und das weitere Vorgehen sollten allen Teilnehmenden klar sein. Die Moderation klärt einleitend die Fragen, worum es geht und was erarbeitet werden soll? Eine Frage oder das übergeordnete Thema können vorab formuliert oder mit der Gruppe festgelegt werden. Die Moderation sollte für die Erklärung der folgenden Schritte und für die Beantwortung offener Aspekte einige Zeit einplanen.

Schritt 3: Ideenfindung / Datenerhebung

Im Rahmen eines Workshops hat man verschiedene Möglichkeiten, die Ideenfindung bzw. Datenerhebung für ein Affinitätsdiagramm durchzuführen. In der Regel bietet sich ein Gruppenbrainstorming an. Die Moderation dokumentiert die Eingaben und sammelt sie. Wichtig: Jeder Gedanke, jede Eingabe und jede Idee soll einzeln notiert werden – möglichst knapp und präzise, so dass die Teilnehmenden sie später gut erfassen. Auch kleine Zeichnungen oder Skizzen sind möglich.

Ideal sind Gruppengrößen bis zu sechs oder acht Personen. Ist die Gruppe sehr groß, kann man sie in kleinere Gruppen aufteilen. Diese sammeln dann die Ideen in einer Gruppenarbeit. Eine Person aus dem Kreis der Gruppe notiert und dokumentiert dabei die Eingaben und bringt sie später ins Plenum.

Eine Variante zum offenen Gruppenbrainstorming ist das stille Brainstorming. Hierbei erhält jeder der Teilnehmenden eine Anzahl von Moderationskarten und füllt diese allein und für sich in einer angemessenen Zeit mit Gedanken. Aber auch hier gilt: Pro Idee eine knappe und präzise Notiz. Ein Vorteil dieser stillen Form des Brainstormings ist, dass die Teilnehmenden in Ruhe über ihre Eingaben nachdenken können. Ein Nachteil: Möglicherweise kommt es zu Doppelungen mit den anderen Ideen und die Eingaben der anderen inspirieren nicht den individuellen kreativen Denkprozess.

Ganz gleich welche Form der Datenerhebung auch Anwendung findet: Es sollten ausreichend viele Ideen produziert werden. Sollten nur wenige Punkte, Eingaben und Themen zusammenkommen, erübrigt sich eigentlich das nachfolgende Clustern, das den Kern des Affinitätsdiagramms bildet.

Schritt 4: Struktur in das Chaos bringen durch gruppieren und sortieren

In diesem Schritt kommt Struktur in die Unordnung. Zu Beginn sind alle Notizen für alle sichtbar an eine Pinnwand gesteckt, an ein Fenster geklebt, auf dem Boden oder einem Tisch ausgebreitet. Dann beginnt das Gruppieren.

Dazu werden die Notizen miteinander verglichen und auf thematische Ähnlichkeit geprüft. Sind Ideen ähnlich oder weisen Zusammenhänge auf, ähnlich kommen sie in ein Cluster. Dabei können ganz unterschiedliche Kriterien zum Zuge kommen. Ein Beispiel: Fruchtjoghurt und Butter sind Milchprodukte, Margarine hat eine pflanzliche Basis. Daher gehört Margarine nicht ins Cluster „Milchprodukte“. Aber: Margarine und Butter sind Brotaufstriche, Fruchtjoghurt eher nicht. Hier gehört Fruchtjoghurt nicht ins Cluster „Brotaufstriche“. Manche Ideen scheinen so, dass sie zu mehreren Clustern passen könnten. Auch das ist kein Problem. Man kopiert die Notiz und ordnet sie allen passenden Clustern zu.

So wird verfahren, bis alle Ideen, Gedanken, Notizen, Skizzen etc. den Clustern zugeordnet sind. Durch das Gruppieren der Notizen entsteht das eigentliche Affinitätsdiagramm. Die Gruppe kann diskutieren, ob sie mit der jeweiligen Zuordnung übereinstimmt. Dabei sollte die Moderation aber darauf achten, dass die Teilnehmenden das Ziel nicht im Streit über Begrifflichkeiten aus den Augen verlieren. Bei der Zuordnung gibt es übrigens kein „falsch“ oder „richtig“. Oft erfolgen Zuordnungen intuitiv. Wichtig ist das die Zuordnung für die Gruppe passt. Sie muss damit weiterarbeiten.

Schritt 5: Die Cluster mit Überschriften versehen

Wenn weitgehende Zufriedenheit mit den gebildeten Clustern besteht, gibt die Gruppe jedem Cluster einen Namen, indem sie eine passende Überschrift, eine Kategorie oder einen Oberbegriff dafür findet. Jedes Cluster steht dabei für einen zentralen Aspekt der zuvor definierten Fragestellung oder der zu bewältigenden Aufgaben.

Durch eine Umrandung hebt man die Cluster nochmal stärker hervor. Damit ist das Affinitätsdiagramm fertig und steht für den weiteren Prozess zur Verfügung. Eine Fotodokumentation bietet sich an. Dann kann das Diagramm digital verarbeitet und verschickt werden.

„Nachhaltigkeitshandeln“ als ein Beispiel für ein Affinitätsdiagramm

Ein Affinitätsdiagramm kann, wie oben beschrieben, in einem Workshop von einer Gruppe erstellt werden. Affinitätsdiagramme lassen sich aber auch hervorragend im stillen Kämmerlein entwickeln. Die Ideenphase bzw. die Datenerhebung müssen nur entsprechend angepasst werden (s. Schritt 3).

Ich habe es ein Affinitätsdiagramm am Beispiel „Nachhaltigkeitshandeln“ erstellt. Meine Leitfrage war: „Was kann ich tun, um nachhaltiger zu leben.“

Affinitätsdiagramm zum Thema "Nachhaltigkeitshandeln". Erstellt am Küchentisch.
Affinitätsdiagramm zum Thema „Nachhaltigkeitshandeln“. Erstellt am Küchentisch.

Dazu habe ich zuerst für mich selbst still gebrainstormt und anschließend meine Ideen mit Beispielen aus dem Internet ergänzt. Insgesamt habe ich rund 30 Ideen aus dem Bereich nachhaltiges Leben gesammelt. Alle Ideen habe ich statt auf Klebezetteln oder Moderationskarten in eine Excel-Tabelle eingetragen. Je Idee in eine Zelle. Diese habe ich entsprechend ausgedruckt und ausgeschnitten (s. Titelbild).

Bei Auslegen der Ausdrucke hat mich meine Tochter tatkräftig unterstützt. Dadurch sind noch weitere Ideen dazu gekommen. Aus den anfänglich über 30 Ideen sind so fast 50 Ideen geworden.

Über die Zuordnung der Cluster haben wir einige Zeit diskutiert und uns schließlich auf sieben Cluster geeinigt. Wir haben sie folgendermaßen benannt:

  1. Müll vermeiden und Kreisläufe schließen
  2. Umweltbewusst und verantwortungsvoll einkaufen
  3. Auf umweltfreundliche Mobilität achten
  4. Ressourcen nicht verschwenden (schonen)
  5. Zu umweltfreundlichen Alternativen greifen
  6. Auf eine nachhaltige Ernährung achten
  7. Sich für die Gesellschaft engagieren (sozial handeln)

Die Begriffe in Klammern haben wir nachträglich noch geändert. Im Nachgang schienen uns die Begriffe irgendwie präziser. Wie gesagt: Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“. Nichts ist in Stein gemeißelt. So weisen die Cluster 1. und 2. starke Übereinstimmungen bzw. Zusammenhänge auf. Unabhängig davon: Wir haben jetzt sieben Handlungsfelder für uns abgesteckt, die wir jetzt verstärkt angehen wollen. Dafür wollen wir uns entsprechende smarte Ziele stecken.

Fazit

Das Affinitätsdiagramm ist ein Tool, dass dabei hilft, unstrukturierte Daten zu ordnen. Der Prozess der Erstellung ist einfach und kann in vielen Bereichen angewendet werden. Als Moderationshilfe eignet sich das Affinitätsdiagramm gut für Workshops. Aber nicht nur: Das Affinitätsdiagramm ist auch in anderen Kontexten einsetzbar. Ich habe es genutzt, um Handlungsfelder für nachhaltiges Handeln abzugrenzen. Jetzt habe ich sieben Handlungsfelder, in denen ich mich ausprobieren kann. Welche Erfahrungen haben Sie / habt ihr mit dem Affinitätsdiagramm?

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